Angsthunde…
sind anders! Die herkömmlichen Trainingsmethoden laufen - grundsätzlich und/oder dann, wenn es "darauf ankommt"- in der Regel ins Leere.
Anstatt auf "Zeit zu spielen" und damit der Festigung der Unsicherheit/Angst Vorschub zu leisten, ist ein grundsätzliches Verständnis darüber, wie ein Angsthund "tickt", nötig sowie ein Umdenken in
Bezug auf die liebgewonnenen "Standard-Trainingsmethoden".
Der Blick für´s Ganze - dieser Leitgedanke prägt Ansatz und Überzeugung gleichermaßen in meinem Leben mit Hunden. Um zu verstehen, warum ein Hund bester Kumpel, Freund, Seelentröster, Sportkamerad, Kind- oder Partnerersatz und manchmal auch wirklich einmal "nur" Hund ist, ist ein Blick in die Natur des Hundes nötig und auf das, was einen Hund charakterisiert und auszeichnet.
Da unsere Hunde oftmals mit den ihnen zugeteilten oder per Duldung tolerierten Aufgaben in unserem täglichen Leben überfordert sind, muss man „Grundsätzliches“ verstehen, um im Anschluss daran den individuellen Blick auf das jeweils höchst individuelle Wesen Hund folgen lassen zu können.
Vieles, was unseren Hund in der heutigen Zeit auszeichnet, findet seinen Ursprung bei seinen Ahnen. Triebe wie z.B. der Jagdtrieb, Fluchttrieb, Beutetrieb, Fortpflanzungstrieb (um nur einige wenige zu nennen) dien(t)en im Zeitalter der frei lebenden Wolfsrudel einem überlebensnotwendigen Zweck. Eine starke Gemeinschaft war Garant für das Überleben, die Unversehrtheit und Sicherheit aller Rudelmitglieder. Hierin ist auch die hierarchische Struktur einer festen Sozialgemeinschaft begründet. Hierarchie... für uns Menschen hinterlässt dieser Begriff oftmals einen bitteren Beigeschmack, ist doch das demokratische, das gleichberechtigte Miteinander unser oberstes Ziel. Dennoch, ... Hunde sind anders! Sie können buchstäblich nicht aus ihrer Haut. Und wenn auch viele Triebe durch Selektion, Zuchtauslese und -manipulation in die vom Menschen und seine Zwecke gewünschte Richtung verändert wurden, so steckt doch in (fast) jedem Hund immer noch "ein wenig Wolf".
Der so oft vom Hundehalter praktizierte Versuch einer analogen Überleitung von Wolf zu Hund jedoch ist zum Scheitern verurteilt: während der Wolf (oder auch jeder wildlebende Hund) nur unter Seinesgleichen lebt, ohne externen Einfluss durch den Menschen und damit unverfälscht und unbeeinflusst durch menschliche Korrekturen seines Verhaltens oder auch "plötzliche" Umweltveränderungen, greift der Hundehalter massiv in die natürlichen Verhaltensweisen des Hundes ein. Einerseits verändert er (mitunter sehr abrupt, wenn der Hund z.B. von einem bisher sehr reizarmen oder stereotypen Umfeld in ein gegenteiliges Zuhause wechselt...) die natürlichen Verhaltensweisen des Hundes, um Vorschriften und Hundeverordnungen gerecht werden zu können; andererseits gleicht er diese (Zwangs)-Anpassung nicht durch ein angemessenes Sicherheits- und Führungspolster gegenüber dem Hund wieder aus. Man adoptiert z.B. einen Hund aus dem hinterländischen Ausland und erwartet, dass er mit dem Überfluss an unbekannten Reizen (Straßen, Autos, Geräusche) zurecht kommt, anstatt ihn mit Beginn der Übernahme von Anfang an sukzessive durch eine entsprechende Kommunikation IM GESAMTEN ALLTAG darauf vorzubereiten und durch die jeweiligen Situationen aktiv zu begleiten.
Viele Hunde im gegenwärtigen Alltag ihrer Familien sind mit der Vielzahl an Alternativen und Entscheidungen, die sie treffen müssen - für sich und ihren Menschen - hoffnungslos überfordert. Hier beginnt der unheilvolle Kreislauf der Korrektur von unerwünschten Verhaltensweisen durch den Hundehalter: von Dulden einerseits und Verbieten andererseits. Die gängigen Verbotsformen lassen es an "Phantasie und Kreativität" nicht mangeln: einerseits Wurfketten, Disc-Scheiben, Sprüh- oder Reizstromhalsbänder, Kommandos im Kasernenton, Leinenruck, Schnauzgriff, "Alpha-Wurf und Ohrenzupfen" .... und andererseits das "Schön-Füttern", das Buhlen um die Gunst des eigenen Hundes, das Ablenken mit Beute (Ball, Quietschi) oder das komplette Meiden von bestimmten Situationen/Reizauslösern.
In der Kategorie "Angsthund" stoßen die gängigen Trainingsmethoden mit schöner Regelmäßigkeit ganz schnell an ihre Grenzen. Der ängstliche und damit hochgestresste Hund kann dank seines Hormoncocktails im Blut weder Appetit- noch Hungergelüste entwickeln (das Lekkerlie läuft ins Leere...) und auch der Beutetrieb (sofern überhaupt vorhanden) wird von der Angst oftmals vollständig überlagert. Aversive Methoden verschlimmern das Meideverhalten des Hundes, mal ganz abgesehen davon, dass man Angst (vor bestimmten Reizauslösern) nicht mit Angst (vor körperlicher Bestrafung) kuriert...
Es führen viele Wege nach Rom. Mein Weg orientiert sich am ganzheitlichen Ansatz, d.h. an einer 360° Blickweise. Diese beinhaltet das Erkennen und Verstehen hündischer Verhaltensweisen und die Fähigkeit des Halters, seinen Hund in Situationen, in denen er durch Überreaktionen seine Überforderung anzeigt, durch die Abnahme von Eigenverantwortung zu entlasten. IMMER „der Fels in der Brandung“ für seinen Hund zu sein und nicht erst dann zu handeln (meistens falsch und unangemessen), wenn man sich als Halter gestört fühlt oder die Umwelteinflüsse „ungemütlich“ werden. Bei Problemen gilt: Erst wenn die Ursache verstanden ist und die Auswirkungen auf "das Ganze", kann eine artgerechte und erfolgreiche Verhaltensumlenkung erfolgen. Das wichtigste Hilfsmittel ist die richtige und punktgenaue Körpersprache des Halters, welche individuell auf das jeweilige Team aus Hund und Halter ausgerichtet ist.
Die Verantwortung für den Hund - sie liegt für mich primär beim HALTER und SEINEM Verhalten, nicht nur gegenüber dem eigenen Hund, sondern auch gegenüber unserer Umwelt und unseren Mitmenschen.
Eine souveräne Führung ist aus menschlicher Sicht am ehesten vergleichbar mit einer "Elternschaft": Fürsorge, Schutz, Respekt und Sicherheit ... einerseits. Die Vorgabe von Grenzen und Tabus, das Fördern von Disziplin sowie eine artgerechte Beschäftigung und erfolgsorientiertes Arbeiten andererseits - erst alle "Puzzleteile" in ihrer Gesamtheit bilden die Grundlage für eine stimmige Bindung zwischen Mensch & Hund. Oder stark vereinfacht ausgedrückt: geben & nehmen; so viel Führung wie nötig, so wenig Korrektur wie möglich...
Klingt einfach? Die Realität sieht anders aus! Schon das theoretische Verständnis, warum ein Hund tut, was er aus seiner Sicht tun "muss", lässt viele Halter sehr schnell erahnen, wie komplex der Prozess des menschlichen Umdenkens sein kann. Folgt dann die Umsetzung in der Praxis, mitnichten begrenzt auf den Hundeplatz, sondern auch hier "ganzheitlich" im Alltagsgeschehen, erkennt so mancher Hundehalter, dass sein Gefährte eben kein autarker "Mitläufer" im Alltag ist. Sei es im Haus, Garten oder auf den Spaziergängen, selten kann man Hunde sich komplett selbst überlassen.
Gerade auch im Hinblick auf sogenannte "Angsthunde" ist es unerläßlich, sich als als Mensch in der Beziehung zu seinem Hund so zu positionieren, dass der Hund die Orientierung am Halter wählt, anstatt sein Heil im "sich Verweigern/Erstarren", in der Flucht oder im Angriff zu suchen...
Insbesondere im Hinblick auf individuelle Hund-Halter-Kombinationen, in denen der Mensch (oftmals unbewusst) der Verstärker für die unerwünschten Verhaltensweisen seines Hundes ist, möchten wir gemeinsam mit den Haltern erreichen, dass die Sozialgemeinschaft "Mensch-Hund" wieder harmonisch und erfolgreich ist und die Interessen aller - die des Hundes, des Halters und seiner Umwelt gleichermaßen - respektvoll gewahrt werden.