Gestern Abend erhielt ich folgende Anfrage:
„… können Lea ein gutes Zuhause bieten und gehen davon aus, dass Ihnen der Platz wichtiger ist als der Preis. Beim Züchter waren wir auch schon, aber die Kosten sind unverschämt teuer. Die Schutzgebühren bei xxx sind uns auch zu hoch – schließlich bekommt ein Hund bei uns den Himmel auf Erden und da sollte der Preis nicht im Vordergrund stehen. Da Leas Vermittlungschancen sicherlich nicht gut sind, wäre sie bei uns in den besten Händen. Können Sie sie zu uns bringen… ist sie geimpft und kastriert? Muss sie später operiert werden – was würde eine solche OP an Kosten verursachen? Wir haben gehört, dass andere Tierschutzvereine sich an Folgekosten beteiligen. Wäre das auch bei Ihnen der Fall?
Diese und ähnliche Anzeigen, Aufrufe oder Informationen am Telefon sind gang und gäbe im Tierschutz… leider! Den „Vorwurf“, dass Schutzgebühren überzogen sind, ungerechtfertigt, weil es sich schließlich um einen Notfall handelt und man für die Übernahme in ein neues Zuhause einfach dankbar sein soll – als Tierschützer - wir kennen ihn alle!
Eine (private) Einzelperson bewirbt sich um einen Tierschutzhund und erwartet, dass die Tierschutzorganisation auf eine Schutzgebühr teilweise oder ganz verzichtet, weil man selbst gerade nicht „flüssig“ genug ist. Frau möchte einen – selbstverständlich – reinrassigen Hund, Geld für den Kauf bei einem (hoffentlich seriösen) Züchter ist nicht vorhanden und dies alleine ist dann wohl auch der Grund, warum man sich an den TS wendet: reinrassig – ja, auf JEDEN Fall; vom Züchter – sehr gerne, aber dort ist er zu teuer (dass man das Züchten von Rassen, die wohl kaum vom Aussterben bedroht sind, damit NICHT unterstützen will, ist sicherlich nicht das vordergründige Motiv…), ergo – geht man zum Tierschutz und versucht, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen… mindestens! Denn die 3. Fliege ist das Argument, dass WIR als Tierschützer auch noch ein schlechtes Gewissen haben sollten, weil wir nun eben doch Schutzgebühren erheben und uns damit Kraft der naiven Rückschlußdenke dieser Bewerber als geldgierig outen; als Menschen, denen es nicht in erster Linie um den Hund geht…
Ist ein gutes Zuhause „wichtiger als Geld...“? Die Privatperson verwendet offensichtlich nicht einen einzigen Gedanken daran, dass aktiver Tierschutz Geld kostet, viel Geld! Und zwar nicht nur für einen Hund (der, für den sie sich selbst interessieren…), sondern für eine Vielzahl weiterer Hunde. Und… sind sie alle gesund? Bekommen wir sie von ihren Vorbesitzern entwurmt, geimpft, gechipt, kastriert, tierärztlich untersucht und je nach Krankheitsbild entsprechend therapiert und mit einem Medikamenten-Vorschuss übereignet? Gedanken hieran werden von Interessenten im „Geiz-ist-geil“-Fieber weder angedacht noch zu Ende überlegt. Warum auch? Es zählt für sie schließlich nur ein (1!) Hund und der, bitte schön, soll wenig oder gar nichts kosten im Tausch für ein schönes Zuhause. Was kümmert ihn/sie die anderen Hunde, die es seitens der vermittelnden Tierschutzinitiative zu versorgen gilt, ohne bereits im Vorfeld eine Zweiklassengesellschaft bei der Aufnahme ins Leben zu rufen: gesunde Abgabehunde – ja, die nehmen wir selbstverständlich auf…; ist er krank oder pflege- bzw. medikamentenbedürftig – nein, dann bitte behalten Sie ihn selbst und bringen ihn ins nächste Tierheim oder vielleicht direkt über die Regenbogenbrücke…
Tierschutz ist Idealismus…. die Kosten für den Tierarzt, Pflege, Medikamente etc. etc. purer Realismus, der je nach Anzahl der betreuten heimatlosen Hunde das Vielfache der Kosten eines einzigen Hundes übersteigt. Selbst naive „Gutmenschen“ sollten in der Lage sein, diese simple Rechenaufgabe lösen zu können. Wenn es ihnen selbst bereits für einen Hund zu teuer ist, eine Schutzgebühr als Kostenersatz zu bezahlen, wie soll es dann um die grundsätzliche Finanzierbarkeit des Tierschutzes bestellt sein? Denn Tierschutz ist in den meisten Fällen immer noch "Privatsache" - will heißen, er wird von Privatpersonen geleistet, die ihn mit ihren privaten Mitteln finanzieren... ohne Netz und doppelten Boden!
Ganz besonders schlaue Interessenten warten dann mit einer beweiskräftigen 1:1 Rechnung auf: der Hund ihrer Begierde war ja nicht krank, er hat den Tierschutzverantwortlichen „nur“ eine Wurmkur und die obligatorische Impfung gekostet – ergo muss doch die Schutzgebühr deutlich unter 100 Euro liegen… nicht wahr? Auch hier zeigt sich wieder das egoistische Pseudo-Hilfssyndrom: man denkt als Interessent nur an den eigenen Hund in spe… für ihn gelten die edlen Motive, selbstverständlich! Die "anderen" – sie interessieren nicht, warum auch?
Jede Schutzgebühr ist auch immer ein Solidarbeitrag für andere Vermittlungshunde – denn der nächste Notfall kann erst einmal einige Hundert Euro an Tierarztkosten verursachen, bevor an eine Vermittlung überhaupt zu denken ist. Und wie stünden wohl die Chancen, wenn man nach dem Verursacherprinzip vermitteln müsste? Dann wäre z.B. für unsere Lea, eine junge Berner-Sennenhündin, die uns vom Vorbesitzer (ungeimpft und ungechipt) mit dem Hinweis auf „leichte Wachstumsstörungen“ übergeben wurde (was unser Tierarzt nach einer aufwändigen Röntgenaktion als beidseitig mittlere HD/ED diagnostiziert hat) eine Schutzgebühr von mindestens 500,00 Euro fällig – Stand per heute! Die Kosten für Medikamente und homöopathische Beigaben exklusive… Hätte sie eine OP benötigt, wären diese Kosten ganz schnell über die 1.000 Euro-Marke geklettert. Welcher Interessent würde dies bezahlen? Einfache Antwort: KEINER!
Bleibt zu hoffen, dass die 1. Frage so genannter tierlieber Interessenten gleich die nach dem „Preis“ ist… dies spart uns wertvolle Zeit für ausführliche Beratungsgespräche und Vororttermine und lässt uns ohne weitere Umwege die Schublade ziehen, in die solche Anfragen schlichtweg gehören: unqualifiziert, da auf der Suche nach einem billigen Hund…
Liebe Interessenten, Tierschutz endet nicht dort, wo SIE Ihren (billigen) Traumhund gefunden haben!
Martina Wald
www.angsthunde-intensivtraining.de