Kleine, feine Tierschutzforen… jene, die die ersten beiden Silben dieses Wortes auch verdienen, sind immens wichtig für jegliche Art von Aufklärung und Wirken im Tierschutz. Leider sind sie rar geworden. Solche nämlich, in denen jene Themen fachlich versiert oder interessiert diskutiert werden, die leider immer noch den aktiven Tierschutz in Deutschland bestimmen. Dazu gehören u.a. neben allen Tätigkeiten der Rettung/Sicherstellung von Tieren auch sämtliche Aufgaben der Übernahme und Vermittlung wie auch Fragen oder Problematiken bei der Tierhaltung, sei es in der Pflegestelle oder bereits im neuen Zuhause.
Was sich aber heutzutage alles als „Tierschutz“-Forum eigendeklariert (andere TIERforen sind hier ausdrücklich NICHT gemeint), hat mit dem eigentlichen Anliegen herzlich wenig gemein. Die Liebe zum Diskutieren ist zweifelsohne geblieben, jedoch dominiert nun der Austausch von Kochrezepten, das Lösen von Bilderrätseln bis hin zu allgemeinen „was habt Ihr heute erlebt“ und „Ich bin sauer – der Milchmann hat mich nicht gegrüßt“ Plaudereien. Nichts gegen solche Themen (wer sie mag und für wichtig hält…), aber warum solche Beiträge in einem Tierschutzforum vorrangig Anklang finden, mag verwundern. Besucht man ein Aquaristikforum, will man auch nicht Beiträge über exotische Birnenrezepte lesen…
Aus den zur Verfügung stehenden Forenthreads, die auch so wichtige Themen wie „Tierschutz-Notfälle“, "Fahrketten", „Verhaltensauffälligkeiten beim Hund“ oder „Krankheiten“ beinhalten, stürzen sich Forenmitglieder wie auch -betreiber schwerpunktmäßig auf die Softthemen: Wer hat das niedlichste Sofaphoto seines Lieblings? Wer die besten Grillanregungen für das Wochenende? Kennt jemand ein gutes Mittel gegen Rostschutz am Fahrrad oder hartnäckige Marmeladenflecke? Während die Vielzahl der inhaltsirrelevanten Tierschutzbeiträge steigt und steigt, übersieht man beflissentlich jene Photos, die vom Pflegehund XY eingestellt werden oder vom bereits vermittelten „Glücksbub“, welcher auch noch Wochen nach der Vermittlung mit weit aufgerissenen ängstlichen Augen und eingeklemmter Rute steif neben seinem glücklich grinsenden Halter steht, der wiederum an dieser Stelle postet, wie „optisch schön doch der Hund sei und wie süß, wenn er schläft“. Wer jetzt in einem solchen Forum einen kollektiven Aufschrei oder wenigstens dünne Kommentare erwartet hinsichtlich dieses Abbildes der Angst, irrt! Die Mehrzahl der Mitglieder bestätigen nur zu gerne die Schönheit des Hundes und wie froh doch alle sind über die Chance, die der Hund nunmehr im neuen Zuhause oder der Pflegestelle erhält. Welche Chance… fragt sich so mancher, wenn die Halter noch nicht einmal ERKENNEN, wie hochgestresst ihr Hund schon beim „normalen“ Photoshoot im heimischen Garten ohne weitere Reizauslöser ist. Ob man hier tatsächlich erwarten kann, dass die Halter wissen, was sie tun und dem Hund zügig helfen, seine Ängste zu besiegen? Wohl kaum! Manche Tierschützer weigern sich beharrlich zu glauben, dass ein (Hunde)Leben auf einer ausländischen Insel im (reizarmen!) Hinterhof eines ländlichen Wohnhauses mit ausreichender Versorgung des Hundes für die nächsten Jahre ggf. besser sein könnte als ein Dasein mit (aus Sicht des Hundes) unkontrollierbaren, unerwarteten Alltags-Dauerreizen im Minutentakt, die ihn im Traumland Deutschland von einem Angstzustand in den nächsten katapultieren. Aber einen schönen Sofaplatz bekommt er und man muss ihm nur viel Zeit lassen (Wozu? Zum sich ängstigen...?) und furchtbar lieb haben, dann kuriert er sich quasi von selbst. Wenn der Angsthund sich beim nächsten Spaziergang dann panisch aus dem Halsband windet und von einem Auto überfahren wird, kann man selbstverständlich auch nichts dafür - weder als Halter oder Pflegestelle noch als Tierschutzverein... Es scheint, als ob die seelische Notlage eines Hundes für viele Tierschützer keine Belange hat, solange der Hund gut genährt ist und Stammkunde bei Sabro sein darf. Der "Rest" ist schließlich nicht so schlimm...
Gibt es dann tatsächlich einmal eine „Tierschutz“-relevante Forenrubrik, die sich mit qualifizierten Beiträgen füllen ließe, erschrickt man zügig, wenn man sich den Inhalt zu Gemüte führt. Da wird ein Hütehund aus dem Ausland vermittelt und der Halter ist nach wenigen Wochen mit dem Hütetrieb des Hundes überfordert. Aufgeklärt wurde er offensichtlich zuvor von dem entsprechenden Tierschutzverein auch nicht, denn dass Hüten = Jagen ohne Tötungshandlung ist, scheint völliges Neuland für den Halter zu sein. Die vorherigen „wir-backen-den-besten-Kuchen“- Forenmitglieder bieten eine Vielzahl von unqualifizierten „Tipps“ an und und loben ebenso kollektiv, wenn der stolze Hütehundbesitzer nach einem ¾ Jahr postet, dass der Hund jetzt „nur“ noch 3 x die Woche (anstatt 7 Tage) für weniger als 1 h auf den Spaziergängen entschwindet, nachdem er zuvor die Jogger und anderes freilaufendes Getier gehütet hat. Wenn dann abseits der Brachialhundekenner einige wenige Mitleser schon mal vorsichtig auf die Gefahren (Straße, Jäger etc.) oder drohende Anzeigen hinweisen, die ein solches „ich-mach-nix-der-Hund-wird´s-schon-richten“ Vorgehen mit sich bringt, hagelt es prompt Gegenposts solcher Hundehalter, die schon seit Jahren so verfahren und bestätigen wollen, dass schließlich wirklich „nix“ passiert… Nur um Mißinterpretationen vorzubeugen: es geht hier nicht darum, den vermeintlichen „Teilerfolg“ o.g. Halter schlecht zu reden, sondern die fragwürdige Einstellung und mangelnde Verantwortung solcher Halter aufzuzeigen (ganz zu schweigen von dem grundsätzlichen Imageschaden, den dann wieder ALLE Hundehalter, auch die vernünftigen, ausbaden dürfen...). Käme man eigentlich als verantwortungsvoller Autofahrer auf die Idee, sich dafür loben zu lassen, dass man einen Fußgänger „nur halb tot“ gefahren hat? Getreu dem Motto: es HÄTTE ja auch schlimmer kommen können…?
Immer wieder ein Evergreen in der Diskussionskultur ist auch der Umgang mit Foren-Notfällen. Da postet der Vermittler X, dass DRINGENDST eine Pflegestelle für Hund Bello gesucht wird und spezifiziert die Voraussetzungen dafür, verbunden mit dem doch sehr deutlichen und einfach zu verstehenden Nachsatz: "WER diese Voraussetzungen erfüllt, bitte melden bei …." Und was geschieht? Das, was üblicherweise in Plauderforen passiert, meistens in DIESER Reihenfolge: Forenmitglied 1 postet sein inständiges Mitgefühl mit dem armen Hund; Forenmitglied 2 fragt, wieso es denn sein kann, dass der Hund so schnell umziehen muss; Forenmitglied 3 weiß offensichtlich mehr als die Kollegen 1 und 2 und wettert auf den derzeitigen Halter und die restlichen Mitglieder 4 – 12 jammern und leiern unisono den so nutzlosen wie nervigen Lieblingssatz eines jeden Vermittlers herunter: „Wenn ich könnte, wie ich gerne wollte, dann würde ich ja, aber…“. Man ist geneigt, beim Lesen dieser Sätze dem Verfasser seine Vorliebe für den Konjunktiv um die Ohren zu schlagen, verbunden mit dem Weckruf, den ursprünglichen Aufruf bitte GENAU zu lesen, das Gehirn einzuschalten und sich ausschließlich nur dann zu melden, wenn man im Sinne des Aufrufes auch helfen kann. Ansonsten ist oftmals weniger mehr….
Der absolute Höhepunkt ist aber oftmals erst dann erreicht, wenn ein solcher Notfallthread nach der Sintflut von Mitleid, Anschuldigungen, Wut, Sympathiebezeugungen und Konjunktivschwemme auch noch thematisch gefleddert wird…
Wehe jenen Forenmitgliedern, die versuchen, sich ernsthaft mit tierschutzrelevanten Fragen auseinander zu setzen, sei es nun in Bezug auf Verhaltensauffälligkeiten eines Tieres oder Vermittlungsabläufe oder das leidige Thema des Rückläufers oder, oder, oder … Aus leidgeprüfter Erfahrung wissen viele um Ernsthaftigkeit bemühte Forenmitglieder, dass man nicht einfach schreibt, was man zu sagen hat. Nein – so einfach geht das nicht! Denn Diskussionen, die hart, aber herzlich verlaufen (sprich: die auch mal in Form von „freundlich-direktem Tacheles“ geführt werden), sind verpönt. Nicht nur bei der Kuchenrezeptfraktion, sondern oftmals bei den Forenbetreibern selbst. Der „Heile-Welt“-Anschein muss gewahrt bleiben, denn jedes Forenmitglied soll sich schließlich pudelwohl fühlen dürfen im selbstgewählten Bad der Beiträge. Jedes direkte Wort ist demzufolge auch ein unfreundliches Wort. Und jeder direkt formulierte Missstand demzufolge auch ein gezielter individueller Angriff auf die Mitleserschaft, aus der sich der Einzelne – irgendwie – immer persönlich angesprochen fühlt (jedem scheint der Schuh zu passen, auch wenn er 5 Nummern zu groß ist). Was wiederum die Foren-Netiquette verletzt. Nicht selten enden dann Diskussionen um ernsthafte Themen, noch bevor sie richtig begonnen haben, mit der Löschung der Beiträge. Die heile Welt… sie ist wichtig; wichtiger als Probleme aufzugreifen, zu diskutieren und zu lösen. Dennoch… es gilt zu akzeptieren, dass jeder Forenbetreiber auch sein eigener Hausherr ist – er, und nur er bestimmt, was auf den Tisch kommt. Das ist sein gutes Recht. So wie auch jeder Gast entscheiden kann, ob ihm die servierte Kost schmeckt und er zum nächsten Mahl wiederkehren möchte. Falls nicht, sucht man sich besser einen anderen Koch, einen, mit dessen Kost man sich identifizieren kann. Schade nur, dass die Anzahl der wirklich guten Köche nicht im gleichen Maße steigt wie die der schlechten...
In den seltenen Fällen, in denen überhaupt noch so etwas wie „Tierschutz & Co.“ diskutiert wird, macht sich nunmehr ein weiteres Phänomen in unserer Foren-Diskussionslandschaft breit: Das „ich schreibe, was ich meine, aber meine nicht, was ich schreibe“ – Phänomen. Kurzum: BEVOR man überhaupt etwas „kritisch“ in Schriftform anmerkt oder diskutiert, werden nun zunächst wortschwall- und seelenbalsamartige Voraberklärungen geliefert, in denen sich der Beitragsschreiber in spe noch vor seinem eigentlichen Diskussionsbeitrag pauschal und prophylaktisch dafür entschuldigt, falls sich jemand auf den Schlips getreten, missverstanden, angegriffen oder nicht ausreichend gewürdigt fühlen sollte… Köstlich! Aber anscheinend unerlässlich, will man in einem Forum diskutieren, in dem die Mehrheit der Forenmitglieder von emotionaler Entrüstung lebt. Ein bekannter Soziologe hat dies einmal unter dem Obergriff „Diskussions-Bescheuertheit“ zusammengefasst. Gemeint ist damit das unfreie und oftmals unehrliche Gerede im öffentlichen Raum. Dazu zählt u.a. auch, dass sich manche Forenmitglieder in fremden Beiträgen immer als Opfer wiedererkennen und damit im Verfasser dieser Beiträge logischerweise den Täter sehen. Diese Forenopferlämmer lauern geradezu auf Beiträge, über die sie sich – selbstverständlich hoch emotional, bar jeder gedanklichen Rationalität – entrüsten können. Das Opfer ist – nicht nur in seinen eigenen Augen - immer der moralische Sieger und setzt damit unter gleichgesinnten Opferjüngern eine nicht zu unterschätzende Dynamik in Gang. Am Ende gibt es Scharen von Forenopfern, die sich gegenseitig ihre Wunden lecken, tröstend versichern, dass sie die Gutmenschen sind und Front machen gegen alles Böse, das sich noch mit den eigentlichen, ursächlichen Problemfeldern des Tierschutzes auseinandersetzen will, mit direkten Worten und Taten… einfach zu unfreundlich, gelle?! Dann lieber unehrlich, aber super freundlich, einem Forenmitglied zum neuen, selbstverständlich sooo süßen Hund gratulieren. DEM Forenmitglied, das noch vor wenigen Wochen den letzten Pflegehund eines örtlichen Tierheims nicht schnell genug loswerden konnte und aufgrund von „Problemen mit dem Vermieter“ eine kurzfristige stichtagsbezogene Umplatzierung des Hundes forderte und das Pflegestellen-Aus einläutete – eben aus DIESEM Grund. Aber das haben „freundliche“ Mitleser selbstverständlich schon vergessen und verziehen. Eine vergleichsweise harmlose Unehrlichkeit; da gibt es ganz andere, die aber ebenso „freundlich“ übergangen werden.
Zeige mir Deine Forumsbeiträge und ich sage Dir, wer Du bist! Dieser Feststellung alter Tierschutz-Forenhasen kann man nur zustimmen – viele Tierschützer mit Herz und Verstand haben dies schon längst erkannt. Sie nutzen ihr Forum (welches mit einem nicht unerheblichen Mehraufwand an Zeit geführt und moderiert werden will, wenn es einem gewissen Niveau standhalten und eine tierschutzrelevante Aufgabe erfüllen soll…) und schauen genau hin, wer bei ihnen mitdiskutiert und ihrem TIERSCHUTZ-Anliegen dienlich ist. Alle anderen werden – nachdem ihre (sicherlich auch durchaus nette…) „Gesinnung“ erkennbar ist – aber eben nicht dem Ziel eines TIERSCHUTZ-Forums entspricht bzw. dieses fördert, freundlich gebeten, sich einen anderen Spielplatz zu suchen.
Die „Kuchen- und Plauderforen“ wird´s freuen… ihr Nachwuchs ist ihnen mehr als gewiss!
Martina Wald
www.angsthunde-intensivtraining.de